Heiner ist ein lustiger, kleiner Bewohner einer südhessischen Stadt. Eigentlich steht er auf der Sonnenseite des Lebens, denn er ist gesund und ist immer unterwegs. Eines Abends fischt er ganz besondere Post aus seinem Briefkasten…. Er soll das Leben eines todkranken Menschen retten!
Eines Abends, als er nach Hause kommt, bekommt Heiner einen Brief von der DKMS, der Deutschen Knochenmarkspenderdatei. Darin steht, dass er als Stammzellenspender für einen an Blutkrebs erkrankten Menschen in Frage kommt. Dieser Patient, steht in dem Brief, ist todkrank – seine einzige Chance, zu überleben, ist, wenn er von einem gesunden Menschen Stammzellen erhält.
Heiner erinnert sich: Schon vor Jahren hat er sich bei der DKMS als möglicher Spender registrieren lassen. Das ging ganz einfach: Mit einem Wattestäbchen nahm Heiner einen Abstrich aus dem Mund – den Q-Tipp schickte er per Post an die DKMS. Das war´s. Das kann man schon mal vergessen.
Am Telefon erfährt Heiner mehr über die Stammzellenspende. Eine nette Frau von der DKMS erklärt ihm, dass er zunächst noch einmal Blut beim Hausarzt abgeben muss. Damit kann geklärt werden, ob er wirklich der passende Spender für den Patienten ist. Denn dafür müssen die Gewebemerkmale der beiden Personen hundertprozentig zusammenpassen. Das ist in etwa so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Außerdem muss gecheckt werden, ob Heiner komplett gesund ist, so dass die Spende keine Gefahr für ihn darstellt.
Heiner informiert sich genau über den Ablauf einer Stammzellenspende. Er erfährt, dass es dafür zwei Möglichkeiten gibt. Bei der einen wird unter Vollnarkose ein kleines Loch in den Beckenkamm, das ist der Hüftknochen, gebohrt. Von dort werden die Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen. Bei der anderen Methode werden die Stammzellen bei einer Art Blutwäsche aus dem Blut des Spenders gewonnen. Fachleute nennen das eine periphere Stammzellenentnahme. Man muss dafür nicht im Krankenhaus übernachten. Kurz darauf kommt ein erneuter Anruf von der DKMS: Heiner kommt tatsächlich als Spender in Frage! Es wird ein Termin für die Spende angesetzt. Dafür muss Heiner nach Köln fahren.
Jetzt ist Heiner aufgeregt. Wenn er abends in seinem Bettchen liegt, denkt er an den Empfänger. Er fragt sich, wie lange er wohl schon krank ist, wie schlecht es ihm jetzt wohl geht. Natürlich fragt sich Heiner auch, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, ein Familienvater oder vielleicht eine Großmutter? Und wo er wohl lebt? Wie viele Menschen sich wohl mit ihm über die Nachricht gefreut haben, dass ein Spender gefunden wurde? Ob sie jetzt auch an ihn denken – und sich fragen, wo er lebt und wie er aussieht?
Bei einer letzten Untersuchung kommt heraus, dass Heiner topfit ist. Einer Spende steht nichts im Wege. Es wird auch festgelegt, dass eine periphere Stammzellenentnahme vorgenommen wird. Vier Tage vor der Spende muss Heiner sich dafür ein Medikament selbst spritzen, zweimal täglich, morgens und abends. Das sorgt dafür, dass Heiners Körper mehr Stammzellen produziert. Diese werden dann später aus dem Blut herausgefiltert.
Am ersten Morgen kostet es Heiner noch etwas Überwindung, sich die Nadel in den Bauch zu pieksen und die Flüssigkeit hineinzuspritzen. Es tut ein bisschen weh, und es brennt. Doch er macht es wie in der Anleitung: Wenn es unangenehm ist, macht er kurz Pause und drückt danach weiter. Wenn er Schmerzen hat, denkt er an den Empfänger und wie viele medizinische Prozeduren der schon über sich ergehen lassen musste.
Heiner macht tapfer weiter und piekst sich morgens und abends. Nach ein paar Malen ist es gar nicht mehr so komisch, sich selbst eine Spritze zu verpassen.
Leider bekommt Heiner schon am zweiten Tag die Nebenwirkungen zu spüren: Kopfschmerzen und das Gefühl, als kündigt sich eine ordentliche Grippe an. Zum Glück haben die Ärzte von der DKMS ihm Schmerztabletten mitgegeben. Per Telefon erkundigen sie sich regelmäßig, wie es ihm geht. Das findet Heiner sehr nett. Aber schließlich geht es auch um viel: Etwa zwei Wochen vor der Spende wird das gesamte Immunsystem des Patienten zerstört. Ohne eine Spende kann er dann nicht mehr überleben. Sollte Heiner in dieser Zeit also etwas zustoßen, stirbt eine andere Person mit. Das ist ein komischer Gedanke.
Dann ist der große Tag da: Heiner fährt mit dem Zug nach Köln zu Cellex, wo die Spende ambulant vorgenommen wird. Jetzt ist er wirklich seeeehr aufgeregt! Aber auch sehr froh, dass es endlich losgeht.
Viel Zeit für Sightseeing bleibt Heiner nicht. Aber danach steht ihm auch gar nicht der Sinn. Vom Hotel, das die DKMS zwei Nächte für ihn bezahlt, geht es zu Fuß zur Klinik.
Köln macht einen netten Eindruck. Und die Stadt ist viel größer als die, in der Heiner lebt.
Cellex sitzt in der MediaPark Klinik. Hier gibt es ganz viele Unternehmen auf einem Fleck. Aber auch ein riesiges Kino, viele Restaurants und Cafés.
Die Schwestern hier sind sehr nett.
Sie erklären alles und legen Heiner zwei Zugänge: Am linken Arm geht das Blut durch einen Schlauch hinaus in die Maschine. Rechts wird es wieder zurück in den Körper geleitet.
In der Maschine ist eine Zentrifuge, die die Stammzellen von restlichen Blut trennt. Die Stammzellen werden in einen Beutel geleitet. (Auf dem Foto oben rechts sichtbar.) Je nach Körpergewicht des Empfängers wird berechnet, wie viel Stammzellen benötigt werden: ein Säugling braucht logischerweise weniger als ein 100 Kilo schwerer Mann.
Wie lange die Prozedur dauert, hängt auch davon ab, wie viele Stammzellen der Spender produziert hat. Heiner muss etwa fünf Stunden am Gerät bleiben, erklärt ihm eine der Schwestern. Damit es nicht allzu langweilig wird, darf sich Heiner einen Film aussuchen.
Im Flur von Cellex hängt eine große Weltkarte, auf der markiert ist, wo Spender leben. Drumherum hängen Dankespostkarten aus aller Welt. Das ist beeindruckend. Die meisten Spenden aus Deutschland, erfährt Heiner, gehen zu Patienten in Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien, in die USA und nach Neuseeland. Wo seine Zellen wohl landen? Der Beutel mit der Flüssigkeit wird unmittelbar nach der Spenden per Flugzeugkurier abgeholt und zum Patienten gebracht. Morgen schon wird dann die Transplantation vorgenommen. Hoffentlich geht alles gut, denkt Heiner.
Als er abends zurück im Hotel ist, lässt es ihn nicht los: Wohin gehen seine Zellen? Wem rettet er hoffentlich das Leben? Er darf das Land, das Geschlecht und das Alter erfahren. Aber erst, wenn die Spende beendet ist. Damit soll sichergestellt werden, dass es sich niemand aufgrund dieser Daten anders überlegt und die Spende abbricht. Weil heute Abend, als die Blutwäsche fertig war, niemand mehr im Büro war, muss Heiner noch eine Nacht warten.
Am nächsten Morgen erfährt Heiner: Seine Zellen sind nach Schweden gebracht worden, um dort einer 68-jährigen Frau transplantiert zu werden. Im ersten Moment ist Heiner überrascht, denn er hatte irgendwie mit einem jüngeren Empfänger gerechnet. Aber als er es sich noch einmal überlegt, merkt er, dass das eigentlich ganz egal ist. Diese Frau kann durch seine Spende vielleicht noch zwanzig oder mehr schöne Jahre leben – ihre Enkel aufwachsen sehen, schöne Reisen machen und einfach ihr Leben genießen. Heiner hofft, dass sie es schafft.
Zufrieden sitzt Heiner im Zug Richtung Heimat. In drei Monaten darf er sich erkundigen, wie es „seiner“ Empfängerin geht – ob sie ihr Körper die Spende verkraftet hat. Leider, hat Heiner erfahren, dass es immer wieder Patienten gibt, die trotz Spende nicht überleben. Es ist dann einfach zu viel für den Körper. Andere brauchen später noch mal eine Stammzellenspende. Dazu wäre Heiner auf jeden Fall bereit! Wenn er möchte, kann Heiner der Frau auch jetzt schon einen anonymen Brief schreiben. Nach einer Frist von zwei Jahren könnte er sie auch kennen lernen – voraussetzt, sie möchte das auch. Das würde Heiner sehr freuen.
Stammzellen spenden darf jede gesunde Person zwischen 17 und 55 Jahren. Ein Registrierungsset anfordern kann man auf der Seite der DKMS.
Ich bin immer wieder ganz gerührt von deinem Artikel!
LG
sabienes
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